Theater muss wie Fußball sein oder „Da geht einem so’n Strom durch’n Körper.“


von Christiane Mangold und Tilmann Ziemke

Holstein Kiel ist in die Fußball-Bundesliga aufgestiegen! Ganz Kiel taumelt freudetrunken durch die Stadt – zum ersten mal seit Bestehen der Bundesliga gibt es einen Verein aus Schleswig-Holstein in der höchsten deutschen Spielklasse.

Das Theater kann viel vom Fußball lernen. Einer der Erfolgsgaranten Holsteins war z.B. der großartige Zusammenhalt der Mannschaft.

Mit dem Fußball gemeinsam hat das Theater eine stillschweigende Übereinkunft, ohne die das Ganze nicht funktioniert: Obwohl der Zuschauer im Theater weiß, das alles nur ein Spiel ist, nimmt er es ernst. Er lacht mit den Lachenden und weint mit den Weinenden. Genauso akzeptieren Fußballzuschauer aufgrund eines unausgesprochenen Vertrages, dass es schicksalhaft wichtig sei, ob eine Lederkugel zwischen zwei Aluminiumstangen hindurchrollt oder nicht.

Gemeinsam mit dem Fußball hat das Theater Spannung und Unterhaltung, vor allem aber auch die unglaubliche Vielfalt. Kein Fußballspiel gleicht dem anderen, auf dem Platz kämpfen Spieler vieler unterschiedlicher Nationen und Temperamente gegeneinander in unterschiedlichen Systemen, vom Rumpelfußball bis zum kunstvollen Tiqui-Taca. Und genauso ist es beim Theater und beim Schultheater: Ganz unterschiedliche Individuen raufen sich zusammen und stemmen gemeinsam etwas auf die Bühne, was die Zuschauer fasziniert. Dabei befassen sie sich mit den unterschiedlichsten Themen und verwenden ganz unterschiedliche Formen und Theatersprachen.

Und nicht zuletzt das ist dem Fußball und dem Theater gemeinsam: Das unbeschreibliche Glücksgefühl nach der erfolgreichen Performance. „Da geht einem so’n Strom durch’n Körper“ formuliert scheinbar etwas unbeholfen ein Holstein-Spieler nach dem Spiel, das den Aufstieg besiegelt hat. Der Satz bringt es auf den Punkt und jeder weiß genau, was gemeint ist. Auch unsere Schüler*innen kennen solche Glückgefühle, z.B. nach erfolgreichen Proben oder besonders nach der erfolgreichen Premiere. „Ich weiß genau, wer gerade aus dem DS-Unterricht kommt und wer nicht. Die aus dem DS-Unterricht kommen, haben alle so leuchtende Augen.“ Dieser Satz einer Kollegin spiegelt das auch in der täglichen Arbeit wider.

Zur Feier des Bundesliga-Aufstiegs von Holstein Kiel und zur Vorbereitung auf die Fußball-Europa-Meisterschaft im eigenen Lande hier noch ein paar Dialoge aus einer Fußball-Revue, die ich gemeinsam mit meinen Schüler*innen entwickelt habe. Die Namen sind nicht mehr aktuell, die Inhalte schon.

Zwei Fans

Zwei Fans stehen vor dem Pissoir und urinieren.

A: Die spieln sich heute wieder 'n Stiefel zurecht!

B: Wildwest, sach ich.

A: Kahn dreht wieder auf'n Teller.

B: Babbel: Totalausfall!

A: Hellmer, den kannste doch in die Tonne kloppen.

B: Und Linke sieht kein Land.

A: Strunz ist so dumm, der schwimmt sogar in Milch.

B: Effe is ne faule Socke.

A: Der kann nur, wenn er will.

B: Fink, wer ist das überhaupt?

A: Den kenn ich nich!

B: Tarnat verkloppt alle Flanken.

A: Und Basler?

B: Kannst knicken.

A: Der Daei, der Ali, der will den Ball doch mit der Zunge ins Tor lecken.

B: Und Zickler?

A: Hör mir doch auf, Mensch!

Sie machen sich den Schlitz zu und gehen sich die Hände abwischend ab.

Zwei Platzwarte

Zwei Platzwarte sammeln mit einem Opticker Müll.

A: Soll'n wieder ran jetzt!

B: Ach!

A: Gegen hier ...

B: Dänemark?

A: Nee, tiefer!

B: Österreich.

A: Nee, die andern.

B: Schweiz.

A: Neenee. Sonst: Kannst alles haben. Hab ich alles aufgenommen.

B: Schweden?

A: Nee, nich die Blonden.

B: Auf Video?

A: Nee, VHS. Sonst, morgen spieln ja auch die andern.

A: Albanien.

B: Ich sach Eins Eins sach ich. Und du?

A: Ich sach: Unentschieden

B: Also für uns jetzt.

A: Nee, gegen uns.

B: Ach so.

Während der letzten Worte gehen die Männer ab.

Zwei Auswürfe

Zwei Männer suchen mit einer Art Detektoren den Boden ab. Es piept.

A: Wart mal!

B: Hass ein’?

A: Ich glaub, dass’n Klinsmann.

B: Kann nich sein.

A: Doch.

B: Nee.

A: Wieso nich?

B: Hab doch auf Loddar programmiert.

A: Der bringt mindestens drei Mille.

B: Nich, wenn das ‘n Loddar is!

A: Ich werd doch wohl noch 'n Klinsmann von ‘n Loddar unterscheiden. – Komm, mach hinne.– Hier sind ganz viele.

B: Glaub ich nich.

A: Doch.

B: Nee.

A: Wieso nich?

B: Weiß nich.

A: Wart mal!

B: Hass was?

A sammelt Spucke und spuckt auf den Boden.

B: Spinnst du?

A: Merkt doch keiner.

B: Ich hab nichts gesehen.

A: Für 'n Andy Möller geht der allemal durch.

B: Wenn du meinst.

A: Komm! Feierabend.

Sie gehen ab.